Adipositas und Psyche: Eine verhängnisvolle Beziehung 

Adipositas & Psyche - Eine verhängnisvolle Beziehung

Adipositas und Psyche: Eine verhängnisvolle Beziehung 

Adipositas ist eine chronische Krankheit, die weltweit ein immer größeres Problem darstellt. Neben den offensichtlichen physischen Auswirkungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Gelenkproblemen spielt auch die Psyche eine wesentliche Rolle. Studien zeigen, dass Adipositas oft mit psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen und sozialer Isolation einhergeht. Doch wie genau beeinflussen sich Ernährung, Psyche und die Entwicklung von Übergewicht? In diesem Artikel erklären wir die Zusammenhänge zwischen Adipositas und psychischen Faktoren und geben einen Einblick in die neuesten Forschungsergebnisse zu diesem Thema.

Wie kommt es zu Adipositas?

Die Ursachen von Adipositas sind vielschichtig und gehen weit über ein simples „Zu viel essen, zu wenig Bewegung“ hinaus. Zahlreiche Faktoren spielen eine Rolle, darunter genetische Veranlagungen, Umweltbedingungen und das individuelle Verhalten. Adipositas entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden. Allerdings bestehen auch zahlreiche Hintergründe, die diese Kalorienaufnahme beeinflussen können:

  • Genetische Faktoren: Es gibt Gene, die die Tendenz zu Gewichtszunahme beeinflussen, indem sie den Stoffwechsel verlangsamen oder das Hungergefühl verstärken.
  • Bewegungsmangel: Viele Menschen führen heutzutage einen überwiegend sitzenden Lebensstil, was dazu führt, dass überschüssige Kalorien nicht verbrannt werden und sich im Körper als Fettreserven ablagern.
  • Ungesunde Ernährung: Ein hoher Konsum von stark industriell verarbeiteten Lebensmitteln, die reich an Zucker und Fett sind, trägt erheblich zur Gewichtszunahme bei.
  • Psychische und emotionale Faktoren: Stress, Depressionen und Angststörungen können das Essverhalten negativ beeinflussen und dazu führen, dass Menschen zu „Komfortnahrung“ greifen, die meist sehr kalorienreich ist.
BMI-Rechner

BMI-Rechner

Gewichtskategorie BMI Risiko für Begleiterkrankungen
Untergewicht < 18,5 Niedrig
Normalgewicht 18,5 – 24,9 Durchschnittlich
Übergewicht ≥ 25
Präadipositas 25 – 29,9 Gering erhöht
Adipositas Grad I 30 – 34,9 Erhöht
Adipositas Grad II 35 – 39,9 Hoch
Adipositas Grad III ≥ 40 Sehr hoch

Ernährung und Psyche: Was passiert im Gehirn?

Die Rolle der Psyche bei der Entstehung von Adipositas ist komplex. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass depressive Menschen häufiger übergewichtig sind. Umgekehrt haben übergewichtige Menschen ein erhöhtes Risiko, an psychischen Erkrankungen zu leiden. Diese wechselseitige Beziehung lässt sich teilweise durch biochemische Veränderungen erklären, die durch die Ernährung beeinflusst werden. Insbesondere der Konsum von Zucker und raffinierten Kohlenhydraten hat einen erheblichen Einfluss auf die Hirnchemie.

Serotoninmangel: Eine unausgewogene Ernährung, die zu wenig essenzielle Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren oder Aminosäuren enthält, kann zu einem Mangel an Serotonin führen – einem Neurotransmitter, der für die Regulierung der Stimmung verantwortlich ist. Dies kann zu depressiven Verstimmungen führen.

Belohnungssystem: Zucker und einfache Kohlenhydrate aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn und sorgen für eine erhöhte Ausschüttung von Dopamin. Dieses „Glücksgefühl“ ist jedoch nur von kurzer Dauer, weshalb viele Menschen erneut nach solchen Lebensmitteln greifen, um dieses Gefühl wieder zu erleben. Ein Teufelskreis entsteht, der langfristig zu Übergewicht führen kann.

Gibt es ein Suchtpotenzial bei Kohlenhydraten?

Die Frage, ob Zucker und andere verarbeitete Kohlenhydrate süchtig machen können, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Neueste Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass stark verarbeitete Kohlenhydrate ähnliche Effekte auf das Gehirn haben können wie suchterzeugende Substanzen.

Mechanismen der Kohlenhydratsucht

Dopaminausschüttung: Der Verzehr von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln stimuliert die Freisetzung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der für das Belohnungssystem des Gehirns wichtig ist. Diese Dopaminausschüttung erzeugt ein kurzfristiges Gefühl der Zufriedenheit und des Wohlbefindens.

Toleranzentwicklung: Mit der Zeit kann es dazu kommen, dass immer größere Mengen an Zucker und Kohlenhydraten benötigt werden, um das gleiche Maß an Zufriedenheit zu erreichen. Dies ist ein typisches Merkmal von Suchtverhalten.

Entzugserscheinungen: Menschen, die ihren Zuckerkonsum drastisch einschränken, berichten oft von Symptomen wie Müdigkeit, Reizbarkeit und einem starken Verlangen nach süßen Lebensmitteln, ähnlich wie bei einem Entzug von anderen Suchtmitteln.

Psychische Belastungen bei Adipositas

Adipositas bringt nicht nur körperliche Gesundheitsprobleme mit sich, sondern wirkt sich auch stark auf die Psyche aus. Viele Betroffene leiden unter sozialer Isolation, Stigmatisierung und einem niedrigen Selbstwertgefühl. Diese negativen Emotionen und Erfahrungen können wiederum das Essverhalten unvorteilhaft beeinflussen und zu einem Teufelskreis aus emotionalem Essen und weiterem Gewichtszuwachs führen.

Psychologische Auswirkungen

Scham und Schuldgefühle: Viele Menschen mit Adipositas schämen sich für ihr Gewicht und fühlen sich hilflos, weil sie glauben, nicht genug Selbstdisziplin zu haben, um ihr Übergewicht in den Griff zu bekommen. Diese negativen Gefühle können das Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen.

Soziale Isolation: Menschen mit starkem Übergewicht berichten oft, dass sie sich aus sozialen Situationen zurückziehen, um Stigmatisierung und Diskriminierung zu vermeiden. Dies kann zu Einsamkeit und depressiven Verstimmungen führen.

Depression: Studien zeigen, dass Menschen mit Adipositas ein erhöhtes Risiko für Depressionen haben. Die psychischen Belastungen, die mit dem Übergewicht einhergehen, sowie die damit verbundene soziale Isolation tragen maßgeblich dazu bei.

Prävention und Therapieansätze

Die Behandlung von Adipositas erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt. Neben einer Ernährungsumstellung und regelmäßiger Bewegung ist auch die psychologische Unterstützung ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Hier sind einige Ansätze, die helfen können:

Ernährungsumstellung: Der Verzehr von nährstoffreichen Lebensmitteln, die wenig Zucker und verarbeitete Kohlenhydrate enthalten, ist der Schlüssel zur erfolgreichen Gewichtsreduktion. Frisches Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und magere Proteine sollten im Mittelpunkt der Ernährung stehen. Empfehlenswert ist die Mittelmeerdiät.

Adipositas & Psyche - Ausweg gesunde Ernährung

Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität hilft nicht nur, Kalorien zu verbrennen, sondern hat auch positive Auswirkungen auf die Psyche. Durch die Freisetzung von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen, wird das Wohlbefinden gesteigert.

Psychologische Unterstützung: Viele Menschen mit Adipositas profitieren von einer psychologischen Betreuung. Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, emotionale Auslöser für das Essverhalten zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um diese zu bewältigen.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Neueste Studien legen nahe, dass eine Reduktion von Zucker und raffinierten Kohlenhydraten nicht nur zur Gewichtsreduktion beiträgt, sondern auch die psychische Gesundheit verbessern kann. In einer Metaanalyse wurden Diäten untersucht, die einen hohen Anteil an pflanzlichen Proteinen und gesunden Fetten enthalten. Die Ergebnisse zeigten, dass diese Diäten nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, sondern auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen reduzieren können.

Fazit

Adipositas ist eine komplexe Erkrankung, die durch ein Zusammenspiel von genetischen, physischen und psychischen Faktoren entsteht.
Psychische Belastungen wie Stress, Depressionen und Angststörungen können das Essverhalten negativ beeinflussen und die Entwicklung von Adipositas fördern.
Der Konsum von Zucker und raffinierten Kohlenhydraten kann das Belohnungssystem im Gehirn stimulieren und suchtähnliches Verhalten auslösen.
Präventive Maßnahmen wie eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und psychologische Unterstützung sind entscheidend für die erfolgreiche Behandlung von Adipositas.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass pflanzenbasierte Diäten mit einem hohen Anteil an gesunden Fetten nicht nur das Gewicht reduzieren, sondern auch die psychische Gesundheit fördern können.

Quellen

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