Lecanemab – Hoffnungsschimmer bei Alzheimer?
Lecanemab – seit April 2025 in der EU zugelassen – ist das erste Medikament gegen Alzheimer, das nicht nur Symptome lindern, sondern direkt in Krankheitsprozesse eingreifen soll. Was kann der neue Antikörper wirklich leisten? Für wen ist die Behandlung geeignet, wo liegen ihre Grenzen – und ist die Hoffnung berechtigt?
Schnelles Wissen
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Lecanemab – Hoffnungsschimmer bei Alzheimer?
- Schnelles Wissen
- Wie funktioniert Lecanemab bei Alzheimer?
- Was bringt die Alzheimer-Behandlung mit Lecanemab?
- Wer kann Lecanemab erhalten?
- Welche Nebenwirkungen sind bei Lecanemab zu beachten?
- Wo ist Lecanemab für die Behandlung von Alzheimer schon zugelassen?
- Was kostet die Therapie mit Lecanemab?
- Fazit
- FAQ
- Quellen
Wie funktioniert Lecanemab bei Alzheimer?
Lecanemab ist ein monoklonaler Antikörper, der gezielt Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn bindet – Eiweißablagerungen, die mitverantwortlich für die Entstehung von Alzheimer sind. Durch den Abbau dieser Ablagerungen kann das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung verlangsamt werden, vor allem im Frühstadium [1].
Was bringt die Alzheimer-Behandlung mit Lecanemab?
Die klinische Studie CLARITY-AD [4] ergab, dass der kognitive Abbau bei Lecanemab-Patienten nach 18 Monaten um 27 % langsamer verlief als bei der Placebo-Gruppe. Das entspricht einem Zeitgewinn von etwa einem halben Jahr im Alltag [2]. Wichtig: Eine Heilung ist damit nicht möglich – die Symptome schreiten weiter fort, aber langsamer.
Infobox Kognition
Kognition bezeichnet alle mentalen Prozesse, die mit dem Denken, Erkennen, Erinnern und Verstehen zusammenhängen. Es umfasst also Fähigkeiten wie das Lernen, das Problemlösen, das Treffen von Entscheidungen und das Erinnern an Informationen. Kurz gesagt, Kognition ist alles, was mit unserem Gehirn und dem Verarbeiten von Informationen zu tun hat.Wer kann Lecanemab erhalten?
Geeignet sind Patienten mit:
- Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung
- Nachweisbarer Amyloid-Pathologie (z. B. PET oder Liquor)
- Maximal eine Kopie des ApoE4-Gens (Gentest erforderlich)
- Kein Einsatz starker Blutverdünner (außer Aspirin)
Nur etwa 10 % der Betroffenen erfüllen alle Kriterien – in Deutschland betrifft das etwa 20.000 Menschen pro Jahr [1][2].
Was hat es mit dem ApoE4-Gen bei Alzheimer auf sich?
Jeder Mensch besitzt zwei ApoE-Gene – eins von jedem Elternteil. Es gibt drei Varianten dieses Gens: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Die Variante ApoE4 steht in engem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer und spielt bei der Lecanemab-Therapie eine zentrale Rolle.
Patienten mit zwei Kopien von ApoE4 (ApoE4/ApoE4) haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen – insbesondere für Hirnschwellungen und Mikroblutungen. Deshalb wird die Therapie mit Lecanemab nur empfohlen, wenn maximal eine ApoE4-Kopie vorhanden ist:
- ApoE3/ApoE3 oder ApoE2/ApoE3 → kein ApoE4: geeignet
- ApoE2/ApoE4 oder ApoE3/ApoE4 → eine ApoE4-Kopie: geeignet
- ApoE4/ApoE4 → zwei ApoE4-Kopien: nicht geeignet
Ein Gentest ist erforderlich, um den ApoE4-Status zu bestimmen. Die Einschränkung dient der Sicherheit der Patienten, da das Risiko schwerer Nebenwirkungen bei doppeltem ApoE4-Nachweis deutlich ansteigt [3].
Wer sich weiter über das Thema Demenz informieren möchte, wird hier fündig: Demenz.
Welche Nebenwirkungen sind bei Lecanemab zu beachten?
Häufig beobachtet werden insbesondere:
- Hirnschwellungen
- Mikroblutungen
Diese Veränderungen bleiben oft symptomlos, können aber zu Koordinationsstörungen führen und das Risiko für Hirnblutungen erhöhen [1][2]. Regelmäßige MRT-Kontrollen sind vorgeschrieben – besonders in den ersten 15 Monaten.
Neben den gut dokumentierten Hirnschwellungen und Mikroblutungen wurden in den Studien zu Lecanemab auch andere Nebenwirkungen beobachtet:
- Infusionsbedingte Reaktionen: Dazu zählen Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Hautausschlag und Muskelschmerzen – meist mild bis moderat.
- Kopfschmerzen: Häufig, können mit ARIA oder der Grunderkrankung zusammenhängen.
- Verwirrtheit oder Schwindel: Gelegentlich auftretend; Ursache unklar.
- Stürze: In der Studie traten Stürze unter Lecanemab häufiger auf – möglicherweise Folge von Schwindel oder eingeschränkter Koordination.
- Herz-Kreislauf-Ereignisse: In Einzelfällen wurden z. B. Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen beobachtet – ein direkter Zusammenhang ist noch nicht eindeutig geklärt.
Wo ist Lecanemab für die Behandlung von Alzheimer schon zugelassen?
Lecanemab, auch bekannt unter dem Handelsnamen Leqembi, wurde seit Anfang 2023 in mehreren Ländern zugelassen, u.a. in:
- USA – Die FDA erteilte im Januar 2023 eine Zulassung.
- Japan – Hier erfolgte die Zulassung im September 2023.
- China – Zugelassen im Januar 2024.
- Großbritannien – Zulassung im August 2024.
- Südkorea – Zulassung im Dezember 2024.
- Israel – Das Medikament ist dort ebenfalls zugelassen.
- Vereinigte Arabische Emirate (VAE) – Leqembi ist verfügbar.
In anderen Ländern wie Australien wurde die Zulassung bisher abgelehnt, teils nach erneuter Prüfung. Die tatsächliche Verfügbarkeit hängt in vielen Fällen noch von der nationalen Preisverhandlung und dem Aufbau entsprechender Behandlungsinfrastruktur ab.
Was kostet die Therapie mit Lecanemab?
In den USA liegt der Preis bei ca. 26.500 Dollar pro Jahr, plus Diagnostik- und Verabreichungskosten (geschätzt 6.000–8.000 €). In Deutschland ist der Preis noch nicht festgelegt. Die Einführung erfolgt nach dem AMNOG-Verfahren, bei dem Hersteller und Krankenkassen die Erstattung verhandeln [2].
Fazit
- Lecanemab verlangsamt den Krankheitsverlauf um rund 6 Monate.
- Nur ein kleiner Teil der Alzheimer-Patienten erfüllt die Kriterien.
- Die Therapie erfordert aufwendige Diagnostik und MRT-Kontrollen.
- Nutzen und Risiken müssen individuell abgewogen werden.
- Für die breite Versorgung fehlen derzeit Kapazitäten.
FAQ
Quellen
[1] EU-Kommission lässt Wirkstoff Lecanemab zu. Ärztenachrichtendienst. 15.04.2025.
[2] DZNE. FAQ zu Lecanemab. Stand: April 2025.
[3] van Dyck CH et al. Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease. N Engl J Med. 2023; 388:9–21.
[4] Cohen S, van Dyck CH, Gee M, Doherty T, Kanekiyo M, Dhadda S, Li D, Hersch S, Irizarry M, Kramer LD. Lecanemab Clarity AD: Quality-of-Life Results from a Randomized, Double-Blind Phase 3 Trial in Early Alzheimer’s Disease. J Prev Alzheimers Dis. 2023;10(4):771-777.