Nahrungsergänzungsmittel: Was steckt wirklich dahinter?

Nahrungsergänzungsmittel liegen im Trend.

Nahrungsergänzungsmittel: Was steckt wirklich dahinter?

Nahrungsergänzungsmittel liegen seit Jahren im Trend. Immer mehr Menschen greifen zu Vitaminen, Mineralstoffen oder pflanzlichen Präparaten, um Wohlbefinden und Gesundheit zu fördern. Doch wie notwendig sind solche Ergänzungen wirklich? In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über Sinn und Unsinn der Präparate, gesetzliche Vorgaben sowie mögliche Risiken im Zusammenhang mit der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln.

Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

Nahrungsergänzungsmittel sind strenggenommen Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen. Sie enthalten Vitamine, Mineralstoffe oder andere Nährstoffe in konzentrierter Form und werden oft als Tabletten, Kapseln oder Pulver angeboten. Im Gegensatz zu Arzneimitteln sind Nahrungsergänzungsmittel nicht dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Ihre Einnahme zielt in der Regel darauf ab, eine ausreichende Versorgung mit bestimmten Nährstoffen sicherzustellen.

Unterschiede zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln

Tabelle Nahrungsergänzungsmittel vs. Arzneimittel
Nahrungsergänzungsmittel Arzneimittel
Gehören zu den Lebensmitteln, dienen der Ergänzung der Ernährung von gesunden Personen Sind dazu bestimmt, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen oder auch die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen
Für sie gilt das Lebensmittelrecht (Lebens- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB und Nahrungsergänzungsmittelverordnung – NemV) Für sie gilt das Arzneimittelrecht (Arzneimittelgesetz – AMG; Arzneibücher etc.)
Müssen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden Werden durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder bei der Europäischen Zentralbehörde in einem Prüfverfahren zugelassen
Kein Vorabnachweis der Wirksamkeit oder Sicherheit gegenüber einer Behörde erforderlich – für die Sicherheit ist der Hersteller verantwortlich Hersteller müssen im Zulassungsverfahren klinische Studien vorlegen, die Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel belegen
Mengenangaben auf der Verpackung können bis zu 50 Prozent von der tatsächlichen Menge im Produkt abweichen Mengenangaben auf der Verpackung dürfen höchstens um fünf Prozent von der tatsächlichen Dosierung der Wirkstoffe abweichen
Keine Höchstmengen für Inhaltsstoffe festgelegt (außer für technologische Zusatzstoffe) Dosierungen aller Inhaltsstoffe werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens geprüft und exakt festgelegt

Nahrungsergänzungsmittel stellen keinen Ersatz für eine gesunde Ernährung dar. Eine abwechslungsreiche Ernährung, die auf natürlichen Lebensmitteln basiert, wie zum Beispiel die Mittelmeerdiät, bleibt die beste Quelle für Nährstoffe. Nahrungsergänzungsmittel können jedoch in bestimmten Situationen sinnvoll sein, wie etwa bei erhöhtem Bedarf oder eingeschränkter Nährstoffaufnahme durch Diäten oder infolge von Erkrankungen.

Wichtige Punkte zu Nahrungsergänzungsmitteln:

  • Nahrungsergänzungsmittel sind keine Medikamente, sondern Lebensmittel.
  • Die Ergänzungsmittel sollen eine ausgewogene Ernährung ggf. unterstützen, nicht ersetzen.
  • Nahrungsergänzungsmittel sind in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich (z.B. Tabletten, Kapseln, Pulver).

Wann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

Für die meisten gesunden Menschen ist eine ausgewogene Ernährung ausreichend, um den Nährstoffbedarf zu decken. Studien zeigen, dass die Einnahme von zusätzlichen Vitaminen oder Mineralstoffen in der Regel unnötig ist. Es gibt jedoch bestimmte Lebenssituationen, in denen Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein können:

  • Schwangerschaft: Folsäure und Jod werden oft empfohlen, um das Risiko für Fehlbildungen zu reduzieren und die gesunde Entwicklung des Fötus zu unterstützen. Besonders Folsäure spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Neuralrohrdefekten (Fehlbildungen des Gehirns und Rückenmarks).
  • Veganer/Vegetarier: Da Vitamin B12 fast ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt, kann es sinnvoll sein, dieses Vitamin durch Nahrungsergänzungsmittel zu supplementieren, um einem Mangel vorzubeugen. Zudem sollten Veganer auf die Versorgung mit Eisen, Jod und Omega-3-Fettsäuren achten, da diese in pflanzlichen Lebensmitteln oft nur in geringen Mengen enthalten sind.
  • Senioren: Mit zunehmendem Alter kann die körpereigene Vitamin-D-Produktion abnehmen, weshalb ältere Menschen oft zu Vitamin-D-Präparaten greifen. Vitamin D ist wichtig für die Knochengesundheit und kann das Risiko für Osteoporose verringern.
Nahrungsergänzungsmittel können für Schwangere sinnvoll sein.

Weitere Gruppen, bei denen Nahrungsergänzungsmittel von Nutzen sein könnten, sind Sportler, Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen, die eine eingeschränkte Nährstoffaufnahme haben.

Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln

Die weit verbreitete Annahme, dass mehr Vitamine automatisch besser für die Gesundheit sind, ist ein Irrtum. Tatsächlich kann die unkontrollierte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gesundheitliche Risiken bergen. Überdosierungen, insbesondere bei fettlöslichen Vitaminen wie A, D, E und K, können toxische Wirkungen haben. Diese Vitamine werden im Körper gespeichert und können bei übermäßiger Einnahme zu einer Ansammlung führen, die schädlich ist.

Ein weiteres Risiko besteht in der Wechselwirkung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Medikamenten. Einige Vitamine und Mineralstoffe können die Wirkung von verschreibungspflichtigen Medikamenten beeinflussen. Beispielsweise kann eine hohe Dosis von Vitamin K die Wirkung von Blutverdünnern wie Warfarin (Marcumar®) abschwächen. Patienten sollten daher immer ihren Arzt oder Apotheker konsultieren, bevor sie Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.

Beispiele für mögliche Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln

  • Vitamin A: Hohe Dosen können zu Leberschäden und Knochenschwäche führen.
  • Vitamin D: Eine übermäßige Aufnahme kann zu Hyperkalzämie (erhöhten Kalziumwerten im Blut) führen, was Nierenprobleme verursacht.
  • Eisen: Zu viel Eisen im Körper kann zu einer Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) führen, die Organschäden verursacht.

Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Qualität von Nahrungsergänzungsmitteln. Da sie weniger strengen Regulierungen unterliegen als Arzneimittel, können Nahrungsergänzungsmittel unerwartete Inhaltsstoffe enthalten, die nicht immer auf der Verpackung angegeben sind. Besonders beim Kauf aus dem Ausland oder über das Internet besteht ein erhöhtes Risiko für verunreinigte oder falsch deklarierte Produkte, was zu bösen Überraschungen führen kann.

Rechtliche Regelungen für Nahrungsergänzungsmittel

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen, anders als Arzneimittel, keinen strengen Zulassungsverfahren. In der Europäischen Union müssen sie lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemeldet werden. Eine behördliche Überprüfung auf Wirksamkeit und Sicherheit erfolgt nicht. Dies bedeutet, dass Nahrungsergänzungsmittel häufig unzureichend getestet sind und ihre angepriesenen Wirkungen nicht immer wissenschaftlich belegt sind.

In der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel werden oft sogenannte „Health Claims“ verwendet, um die gesundheitsfördernde Wirkung der Produkte zu betonen. Diese Claims unterliegen strengen Vorgaben, die in der Health-Claims-Verordnung der EU festgelegt sind. Ein Beispiel für einen zulässigen Claim wäre „Kalzium ist wichtig für die Erhaltung normaler Knochen“, was zutrifft. Unzulässige Health Claims, wie „Cranberry unterstützt die Gesundheit der Blase“, werden dagegen verboten, da keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Aussage vorliegen.

Sind Nahrungsergänzungsmittel notwendig?

Die Mehrheit der Bevölkerung ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ausreichend mit Nährstoffen versorgt. Nur in bestimmten Fällen, wie bei Schwangeren oder älteren Menschen, kann die Einnahme sinnvoll sein. Doch selbst in diesen Fällen sollten Nahrungsergänzungsmittel nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden. Besonders der leicht zugängliche Onlinehandel und die verlockenden Marketingversprechen führen oft zu einem unnötigen Konsum.

Nahrungsergänzungsmittel - Wer sich gesund ernährt, benötigt keine Nahrungsergänzungsmittel.

Für die allgemeine Bevölkerung gilt, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung die beste Basis für eine ausreichende Nährstoffversorgung bietet. Wer sich unsicher ist, ob er ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist, kann dies durch eine Blutuntersuchung auf eigene Kosten feststellen lassen, anstatt auf Verdacht Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Fazit

Nahrungsergänzungsmittel sind für gesunde Menschen mit ausgewogener Ernährung in der Regel nicht notwendig.
Eine unkontrollierte Einnahme kann zu Überdosierungen und gesundheitlichen Schäden führen.
In bestimmten Lebensphasen oder bei speziellen Ernährungsformen (z.B. Schwangerschaft, vegane Ernährung) können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, sollten aber nur nach Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden.
Nahrungsergänzungsmittel unterliegen weniger strengen Regulierungen als Arzneimittel, was die Qualität und Sicherheit der Produkte beeinflussen kann.
Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung bleibt die beste Grundlage für eine optimale Nährstoffversorgung.

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