Vitamin D: Hype oder Wissenschaft?

Vielfalt an Nahrungsergänzungsmitteln, darunter Vitamin D – symbolisch für den Einsatz von Vitaminen zur Gesundheitsförderung
Update: Dieser Beitrag wurde am 05. September 2025 aktualisiert.

Vitamin D ist seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen. Immer wieder wird es als Allroundmittel dargestellt, sei es für das Immunsystem, die Knochen, gegen chronische Krankheiten und sogar zur Krebsvorbeugung. Gleichzeitig warnen Fachgesellschaften vor einer unkritischen Einnahme. Dieser Beitrag beleuchtet, was wissenschaftlich gesichert ist, welche Mythen im Umlauf sind und wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen können.

Schnelles Wissen

Vitamin D reguliert den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel.
Mangel ist in Mitteleuropa häufig, vor allem in den Wintermonaten.
Ein gesicherter Nutzen für eine Supplementierung besteht nur bei Osteoporose und zur Sturzprävention.
Hohe Dosierungen können zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen.
Experten raten zu gezielter, ärztlich begleiteter Einnahme statt pauschaler Supplementierung.

Welche Aufgaben übernimmt Vitamin D im Körper?

Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das über Vorstufen wie 7-Dehydrocholesterin in der Haut durch Sonneneinstrahlung (UV-B-Licht) aktiviert wird. Über die Nahrung gelangt es nur in begrenztem Maß in den Körper, vor allem über fettreiche Fische, Eigelb oder angereicherte Produkte. Die Leber wandelt die Vorstufen in Calcidiol um, die Niere schließlich in Calcitriol – die biologisch aktive Form. Es wirkt wie ein Hormon und greift tief in den Stoffwechsel ein. Besonders bekannt ist seine Rolle für stabile Knochen: Ohne Vitamin D kann Kalzium nicht in ausreichendem Maß aufgenommen und in die Knochenstruktur eingebaut werden, was zur Osteoporose führen kann Aber auch die Muskeln und das Immunsystem benötigen ausreichende Spiegel, um normal zu funktionieren.

  • Knochen: Vorbeugung von Rachitis bei Kindern und Osteomalazie (eine Knochenerweichung bei Erwachsenen, die durch Vitamin-D-Mangel verursacht wird) bei Erwachsenen.
  • Muskeln: Verbesserung der Muskelkraft, geringeres Risiko für Stürze.
  • Immunsystem: Steuerung entzündlicher Prozesse und Abwehr von Infekten.
  • Neuere Studien untersuchen mögliche Einflüsse auf Herz-Kreislauf, Krebs und Autoimmunerkrankungen.
Infografik zur Vitamin-D-Synthese mit Silhouette eines Menschen, Sonne und Fisch-Symbol; Pfeile zeigen die Schritte: Haut bildet Vorstufen, Umwandlung in der Leber, Aktivierung in der Niere, Wirkung auf Knochen, Calcium/Phosphat und Immunsystem.

CC BY-ND 4.0 Lizenz: CC BY-ND 4.0 – Nutzung nur unverändert mit Link zu Medi-Helpster.de. Nutzungsbedingungen.

Wie häufig kommt Vitamin-D-Mangel vor?

In Mitteleuropa reichen die Sonnenstrahlen von Oktober bis März meist nicht aus, damit die Haut genügend Vitamin D produzieren kann. Hinzu kommt, dass viele Menschen den Großteil des Tages in Innenräumen verbringen. Auch Sonnenschutzmittel, die wichtig für den Hautschutz sind, hemmen die Vitamin-D-Synthese. Schätzungen zufolge haben etwa 40–60 % der Bevölkerung in Deutschland und Mitteleuropa in den Wintermonaten zu niedrige Vitamin-D-Spiegel. Bei Risikogruppen wie älteren Menschen oder Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern können es sogar über 70 % sein.

  • Besonders betroffen sind ältere Menschen, da ihre Haut weniger effizient Vitamin D bildet.
  • Menschen mit dunklerer Hautfarbe benötigen längere Sonneneinwirkung.
  • Chronische Krankheiten des Darms oder der Leber können die Aufnahme oder Umwandlung von Vitamin D beeinträchtigen.
  • Ernährung trägt nur in geringem Umfang bei: Nur wenige Lebensmittel wie fettreicher Fisch oder angereicherte Produkte enthalten nennenswerte Mengen.

Wann ist eine Supplementierung sinnvoll?

Eine Einnahme von Vitamin D ist dann angezeigt, wenn ein Mangel tatsächlich festgestellt oder stark zu vermuten ist. Ärztinnen und Ärzte können dies mit einem Bluttest überprüfen. Leitlinien empfehlen keine pauschale Supplementierung für alle, sondern eine gezielte Vorgehensweise.

  • Indiziert ist die Gabe bei nachgewiesenem Mangel, Osteoporose oder bestimmten chronischen Erkrankungen.
  • Auch Personen, die kaum Sonne abbekommen (z. B. Bettlägerige, Menschen in Pflegeheimen), profitieren häufig von einer Ergänzung.
  • Für gesunde Erwachsene ohne Risikofaktoren ist eine generelle Einnahme nicht notwendig.
  • Eine ärztlich begleitete Dosierung verhindert sowohl Unterversorgung als auch Überdosierung.
Infografik mit Icons von Fisch, Lebertran-Flasche, Ei, Pilz und Milchpackung; daneben die Beschriftung der Top-Quellen für Vitamin D in der Ernährung.

CC BY-ND 4.0 Lizenz: CC BY-ND 4.0 – Nutzung nur unverändert mit Link zu Medi-Helpster.de. Nutzungsbedingungen.

Welche Risiken hat eine Überdosierung?

Wer langfristig zu hohe Dosen einnimmt, kann gefährliche Nebenwirkungen entwickeln. Anders als wasserlösliche Vitamine wird Vitamin D nicht einfach ausgeschieden, sondern reichert sich im Körper an (Fettgewebe). Empfohlen werden etwa 800 IE täglich.

  • Schon ab 4000 IE (100 Mikrogramm) pro Tag über längere Zeit können sich die Knochendichte bei älteren Frauen verringern und das Sturzrisiko erhöhen, bei herzkranken Menschen kann es zu einer Verschlechterung der Herzfunktion kommen.
  • Typische Beschwerden einer Überdosierung sind Übelkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit oder Verdauungsprobleme.
  • Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden können auftreten.
  • Ein dauerhaft erhöhter Kalziumspiegel (Hyperkalzämie) verursacht oft starken Durst und häufiges Wasserlassen.
  • Verkalkungen in Gefäßen oder Organen können Herz und Nieren zusätzlich belasten.
  • In sehr schweren Fällen kann es bis zum Nierenversagen kommen.

Deshalb gilt: keine Eigenmedikation, sondern ärztliche Begleitung. Ein Überschreiten der empfohlenen Tagesdosis (ca. 800 IE) sollte ohne ärztliche Kontrolle vermieden werden.

Welche Rolle spielt Vitamin D bei chronischen Erkrankungen?

Seit Jahren wird intensiv untersucht, ob Vitamin D bei chronischen Erkrankungen eine vorbeugende oder therapeutische Rolle spielt. Dabei reicht die Spannweite von Herz-Kreislauf-Leiden über Krebs bis zu Autoimmunerkrankungen. Die Ergebnisse sind bislang mager und zum Teil auch widersprüchlich.

  • Bei Osteoporose ist der Nutzen klar: Vitamin D reduziert in Kombination mit Kalzium das Risiko für Knochenbrüche.
  • Für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen Studien teilweise Vorteile, aber keine einheitlichen Ergebnisse.
  • Beim Krebsrisiko ist die Datenlage unzureichend, ein Schutz konnte bisher nicht zweifelsfrei bestätigt werden.
  • Insgesamt gilt: Vitamin D ist wichtig, aber kein Ersatz für andere präventive Maßnahmen.

Welche Rolle spielen Medikamente für den Vitamin-D-Spiegel?

Verschiedene Medikamente können die Wirkung von Vitamin D im Körper verändern. Einige beschleunigen seinen Abbau oder blockieren die Aktivierung und senken dadurch den Spiegel im Blut. Andere wiederum verlangsamen den Abbau oder verstärken die Wirkung von Vitamin D, sodass die Werte im Blut ansteigen können. Umgekehrt kann auch Vitamin D die Wirkung bestimmter Medikamente beeinflussen. Deshalb ist es wichtig, die zusätzliche Einnahme von Vitamin D immer ärztlich abzustimmen.

Medikamente, die den Vitamin-D-Spiegel senken können

Dazu gehören zum Beispiel Antiepileptika, Kortisonpräparate, bestimmte Cholesterinsenker sowie einige HIV- oder Tuberkulosemedikamente. Sie beschleunigen den Abbau von Vitamin D oder behindern seine Aktivierung, sodass trotz ausreichender Zufuhr ein Mangel entstehen kann.

Medikamente, die den Vitamin-D-Spiegel erhöhen oder deren Wirkung beeinflusst wird

Manche Entwässerungsmittel (Diuretika) oder bestimmte Herzmedikamente können den Kalziumspiegel zusätzlich erhöhen, wenn Vitamin D eingenommen wird. Dadurch steigt das Risiko für Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen oder Nierenschäden.

Medikamente, deren Wirkung durch Vitamin D beeinflusst werden kann

Vitamin D kann den Kalziumspiegel erhöhen und dadurch die Wirkung von Herzglykosiden (z. B. Digitalis) verstärken. Auch die Verträglichkeit mancher Diuretika kann sich dadurch verändern.

Expertenstimmen zum Thema Vitamin D

Prof. Dr. Heike Bischoff-Ferrari, Leiterin der Klinik für Geriatrie und Altersforschung an der Universität Zürich, hebt hervor, dass Vitamin D bei älteren Menschen das Risiko für Stürze und Knochenbrüche deutlich senken kann.
Prof. Dr. Armin Zittermann, Wissenschaftler am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, betont, dass Vitamin D zwar wichtig sei, die Effekte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen aber wissenschaftlich umstritten bleiben.
Prof. Dr. Michael Holick, Endokrinologe an der Boston University, gilt als einer der international bekanntesten Vitamin-D-Forscher. Er weist darauf hin, dass Vitamin D zwar wichtig für viele Körperfunktionen sei, hohe Dosierungen ohne ärztliche Kontrolle jedoch problematisch sind.

Die Expertenstimmen verdeutlichen: Der Nutzen für die Knochengesundheit ist belegt, für andere Krankheitsbilder liefern die bisherigen Studien noch keine abschließenden Ergebnisse.

Was können Sie konkret tun?

  • Gehen Sie regelmäßig ins Freie: Schon 15–30 Minuten Sonne auf Gesicht und Unterarmen genügen oft, um die Vitamin-D-Spiegel im Normbereich zu halten.
  • Ernähren Sie sich vielseitig und nutzen Sie Vitamin-D-reiche Lebensmittel, soweit möglich.
  • Lassen Sie Ihren Blutwert bestimmen, wenn Sie zu einer Risikogruppe gehören – also etwa älter sind, eine dunklere Hautfarbe haben, chronische Krankheiten mitbringen oder sich nur selten im Freien aufhalten.
  • Klären Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, ob eine Supplementierung sinnvoll ist und in welcher Dosierung.
  • Vermeiden Sie eigenmächtige Hochdosen und frei verkäufliche Test-Sets aus Apotheken oder Drogeriemärkten – diese können mehr schaden als nützen.

FAQ

Wie viel Vitamin D brauche ich am Tag?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen 800 IE pro Tag, wenn keine Eigenproduktion durch Sonnenlicht möglich ist.

Kann ich meinen Vitamin-D-Spiegel selbst messen?

Apotheken und Online-Anbieter verkaufen Tests, doch die Ergebnisse sind oft ungenau. Ein ärztlicher Labortest ist zuverlässiger.

Hilft Vitamin D gegen Erkältungen?

Es gibt Hinweise, dass ein ausreichender Spiegel Infekte abmildern kann. Ein gesicherter Schutz ist aber nicht bewiesen.

Ist eine Sonnenbank ein Ersatz für die Sonne?

Nein, das künstliche UV-Licht unterscheidet sich vom natürlichen Sonnenlicht und erhöht das Hautkrebsrisiko.

Bekommen Kinder genug Vitamin D?

Babys erhalten in Deutschland routinemäßig Vitamin-D-Tropfen. Bei älteren Kindern reicht meist Sonnenlicht, in Ausnahmefällen sind Ergänzungen auf ärztliche Empfehlung sinnvoll.

Kann ich meinen Bedarf an Vitamin D über die Ernährung decken?

Nur teilweise: Lachs, Hering und Makrele liefern nennenswerte Mengen, ebenso Lebertran oder angereicherte Produkte. Die Hauptquelle für Vitamin D ist die körpereigene Produktion, die durch Sonnenlicht angeregt wird.

Gibt es Wechselwirkungen zwischen Vitamin D und Medikamenten?

Ja, bestimmte Arzneimittel und zusätzlich zugeführtes Vitamin D können sich gegenseitig beeinflussen.

Was ist …? – Begriffe kurz erklärt

Kalzium: Mineralstoff, entscheidend für Knochenaufbau und Muskelfunktion.
Immunsystem: Schutzsystem des Körpers gegen Krankheitserreger.
Osteoporose: Erkrankung, bei der die Knochen porös und brüchig werden.

Quellen

Pilz S et al. Vitamin D and cardiovascular disease prevention. Front Endocrinol (Lausanne) 2018; 9:373.
Holick MF. High prevalence of vitamin D inadequacy and implications for health. J Clin Invest 2006; 116:2062–2072.


Bischoff-Ferrari HA, Dawson-Hughes B et al. Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: a meta-analysis. BMJ 2009; 339:b3692.

Cashman KD et al. Vitamin D deficiency in Europe: pandemic? Am J Clin Nutr 2016; 103:1033–1044.

Hahn J et al. Vitamin D and marine omega-3 fatty acid supplementation and incident autoimmune disease: VITAL randomized controlled trial. BMJ 2022; 376:e066452.

Keaney JF, Rosen CJ. Vitamin D insufficiency: disease or not? N Engl J Med 2019; 380:91–93.

German Nutrition Society. New reference values for vitamin D. Ann Nutr Metab 2012; 60:241–246.

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