Zucker und seine Rolle bei der Entstehung von Demenz

Zucker kann die Entwicklung von Demenz fördern.

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Führt Zucker zu Demenz? Zum World Brain Day am 22. Juli 2024 haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung darauf hingewiesen, dass ein hoher Zuckerkonsum das Gehirn schädigen kann. Das ist besonders irritierend, da Demenz und Schlaganfälle zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland gehören. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Zucker zum Demenztreiber wird, welche Mechanismen dahinterstecken und wie Sie den Zuckerkonsum reduzieren können.

Wie Zucker zu Demenz führen kann

Hohe Blutzuckerspiegel und vaskuläre Demenz

Hohe Blutzuckerspiegel können die Hirngefäße schädigen und zu Ablagerungen an den Gefäßwänden führen, wodurch Blutzufuhr und Versorgung der Gehirnzellen mit wichtigen Nährstoffen eingeschränkt wird. Eine Folge der Ablagerungen an den Gefäßwänden kann die sogenannte vaskuläre Demenz sein. Diese Form der Demenz betrifft etwa 15 bis 25 Prozent der jährlich rund 250.000 neuen Demenzfälle in Deutschland. Besonders problematisch ist, dass diese Ablagerungen die Elastizität der Gefäße vermindern, was zu einer chronischen Minderversorgung des Gehirns führt.

Glykosaminoglykane und neuronale Plastizität

Zucker kann über komplizierte biochemische Reaktionen langfristig die Entstehung einer Demenz fördern. Komplexe Zuckermoleküle, die als Glykosaminoglykane bekannt sind, können direkt die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Diese Moleküle stören die Kommunikation zwischen Nervenzellen im Gehirn über ihre Synapsen, was zu Problemen bei Denkprozessen und dem Erinnerungsvermögen führen kann. Langfristig kann dies zu einer Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten beitragen.

Infobox Kognition

Kognition bezeichnet alle mentalen Prozesse, die mit dem Denken, Erkennen, Erinnern und Verstehen zusammenhängen. Es umfasst also Fähigkeiten wie das Lernen, das Problemlösen, das Treffen von Entscheidungen und das Erinnern an Informationen. Kurz gesagt, Kognition ist alles, was mit unserem Gehirn und dem Verarbeiten von Informationen zu tun hat.

Die Störung der Synapsen-Funktion zwischen den Nervenzellen beeinträchtigt auch die neuronale Plastizität. Dies zeigte sich in experimentellen Daten, die 2023 auf dem Kongress der American Chemical Society vorgestellt wurden. Bereits vor 20 Jahren wies eine Studie darauf hin, dass eine fett- und zuckerreiche Ernährung die neuronale Plastizität stört und die Hirnfunktion langfristig beeinträchtigt.

Infobox Neuronale Plastizität

Neuronale Plastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und anzupassen. Das bedeutet, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn gestärkt, abgeschwächt oder neu gebildet werden können, je nachdem, wie häufig sie genutzt werden. Diese Fähigkeit ist wichtig für das Lernen, das Gedächtnis und die Erholung von Verletzungen. Einfach gesagt, neuronale Plastizität ermöglicht es dem Gehirn, auf Erfahrungen und Veränderungen zu reagieren und sich entsprechend anzupassen.

Diabetes mellitus und Demenz

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Es wird vermutet, dass der gestörte Glukose-Stoffwechsel in den Neuronen zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beiträgt. Insulin spielt bei der Entstehung der Alzheimerplaques eine wichtige Rolle. Bei den Plaques handelt es sich um Protein-Ablagerungen zwischen den Hirnzellen, was zu einer Schädigung und dem Absterben von Nervenzellen führt und zu Gedächtnisverlust und andere kognitive Beeinträchtigungen führt. Das Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung zeigte im vergangenen Jahr, dass das Gehirn durch regelmäßig stark zucker- und fetthaltige Ernährung verändert wird, was das Verlangen nach solchen Lebensmitteln erhöht und die Entstehung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes begünstigt. Diese Faktoren zusammen führen zu einer Art Teufelskreis, der die Gehirngesundheit nachhaltig schädigt.

Zuckerkonsum: Kurzfristige Effekte vs. langfristige Schäden

Kurzfristig kann der Konsum von Zucker zu einer Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit führen. In den ersten zwei bis zwölf Stunden nach Zuckerkonsum wird oft eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit beobachtet. Dies liegt daran, dass das Gehirn Glukose als schnellen Energielieferanten nutzt. Langfristig jedoch führen dauerhafte hohe Zuckerspiegel zu einer Schädigung der kognitiven Funktionen. Die kontinuierliche Belastung durch zu viel Zucker kann Entzündungsprozesse im Gehirn fördern und die Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen wie Demenz beschleunigen.

Reduzierung des Zuckerkonsums

Empfehlungen der Fachgesellschaften

Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung raten zu einem möglichst geringen Zuckerkonsum. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt, dass maximal 10 Prozent der Energiezufuhr aus Zucker stammen sollte. Bei einer täglichen Energieaufnahme von 2.000 Kilokalorien entspricht dies etwa 50 Gramm Zucker pro Tag. Dazu zählt sowohl zugesetzter Zucker als auch der natürlich in Früchten, Honig oder Säften enthaltener Zucker.

Vermeidung von Zuckerfallen

Es ist wichtig, Zuckerfallen zu vermeiden. Dazu gehören nicht nur offensichtliche Zuckerquellen wie Süßigkeiten, sondern auch versteckte Zuckerquellen in verarbeiteten Lebensmitteln wie Joghurts oder Ketchup. Auch alkoholische Getränke können den Blutzuckerspiegel stark ansteigen lassen. Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung unterstützen daher die Forderung nach einer Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke. Solche Maßnahmen könnten helfen, den Konsum zu reduzieren und die Bevölkerung für die Risiken eines hohen Zuckerkonsums zu sensibilisieren.

Der Teufelskreis des Zuckerkonsums

Schon eine kleine Dosis Zucker kann das Verlangen nach mehr Zucker auslösen. Der Darm sendet über den Vagusnerv Signale an das Gehirn, die ein starkes Verlangen nach weiterem Zucker auslösen. Zudem wird beim Zuckerkonsum im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, ein Wohlfühlhormon, das den Wunsch nach mehr Zucker verstärkt. Ein weitgehender Verzicht auf Zucker kann helfen, diesem Teufelskreis zu entkommen und die Gehirngesundheit zu schützen. Es ist jedoch nicht einfach, da viele Menschen an den Geschmack von Zucker gewöhnt sind und das Verlangen nach Süßem schwer zu zügeln ist.

Praktische Tipps zur Reduzierung des Zuckerkonsums

  • Bewusster Einkauf: Achten Sie beim Einkaufen auf die Zutatenliste und den Zuckergehalt in den Lebensmitteln. Viele Produkte enthalten versteckten Zucker.
  • Selber kochen: Verzichten Sie auf Fertiggerichte und bereiten Sie Mahlzeiten möglichst selbst zu, um die Kontrolle über die verwendeten Zutaten zu behalten.
  • Natürliche Süße: Nutzen Sie Obst und natürliche Süßungsmittel wie Stevia oder Xylit anstelle von raffiniertem Zucker.
  • Regelmäßige Mahlzeiten: Regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten können Heißhungerattacken vorbeugen.
  • Ausreichend Schlaf und Bewegung: Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf und Bewegung unterstützt die Reduktion des Zuckerverlangens.
Weniger Zucker ist gut für das Gehirn.

Fazit

Ein hoher Zuckerkonsum kann die Hirngefäße schädigen und das Risiko für vaskuläre Demenz erhöhen.
Glykosaminoglykane, komplexe Zuckermoleküle, können die neuronale Plastizität beeinträchtigen und die kognitive Funktion stören.
Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Demenzrisiko, möglicherweise durch einen gestörten Glukose-Stoffwechsel in den Neuronen.
Zuckerfallen in verarbeiteten Lebensmitteln und alkoholischen Getränken sollten vermieden werden.
Ein weitgehender Verzicht auf Zucker kann helfen, den Teufelskreis des Zuckerkonsums zu durchbrechen und die Gehirngesundheit zu fördern.
Praktische Tipps wie bewusster Einkauf, selber kochen und regelmäßige Mahlzeiten können helfen, den Zuckerkonsum zu reduzieren.

Quellen

GBD 2021 Causes of Death Collaborators. Global burden of 288 causes of death and life expectancy decomposition in 204 countries and territories and 811 subnational locations, 1990-2021: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2021. Lancet. 2024 May 18;403(10440): 2100-2132.

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Gillespie KM, White MJ, Kemps E, Moore H, Dymond A, Bartlett SE. The Impact of Free and Added Sugars on Cognitive Function: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients. 2023 Dec 25;16(1):75.

Molteni R, Barnard RJ, Ying Z, Roberts CK, Gómez-Pinilla F. A high-fat, refined sugar diet reduces hippocampal brain-derived neurotrophic factor, neuronal plasticity, and learning. Neuroscience. 2002;112(4):803-14.

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