Neurodermitis – mehr als Juckreiz und Schuppen
Neurodermitis ist eine der häufigsten chronischen Hauterkrankungen, die Menschen jeden Alters betreffen kann – Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Sie verursacht starken Juckreiz, trockene Haut und entzündete Hautstellen, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. In diesem Beitrag erfahren Sie alles über Ursachen, Diagnose, Symptome und moderne Therapiemöglichkeiten.
Schnelles Wissen
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Neurodermitis – mehr als Juckreiz und Schuppen
- Schnelles Wissen
- Was ist Neurodermitis?
- Diagnosekriterien der Neurodermitis
- Schweregrad und Verlauf der Neurodermitis
- Differenzialdiagnosen – nicht alles was juckt und schuppt ist Neurodermitis
- Typische Zeichen einer Neurodermitis
- Neurodermitis und typische Kombinationen mit anderen Erkrankungen
- Therapie der Neurodermitis
- Psychosoziale Aspekte
- Quellen
Was ist Neurodermitis?
Neurodermitis, auch bekannt als atopische Dermatitis, ist eine chronische, entzündliche Hauterkrankung, die durch trockene Haut, Rötungen und starken Juckreiz gekennzeichnet ist. Sie beginnt häufig im Säuglings- oder frühen Kindesalter, kann sich jedoch auch erstmals im Erwachsenenalter bemerkbar machen. Die Ursachen der Neurodermitis sind vielfältig: genetische Veranlagung, eine gestörte Hautbarriere und Immunreaktionen auf Umweltfaktoren spielen eine Rolle.
Die Erkrankung verläuft in Schüben, wobei die Symptome phasenweise stark auftreten und dann wieder abklingen können. Neurodermitis ist in der Regel nicht heilbar, aber durch geeignete Therapien gut kontrollierbar. In schweren Fällen können die Symptome zu erheblichem psychischen und physischen Leid führen, insbesondere durch den ständigen Juckreiz und die daraus resultierenden Schlafstörungen.
Diagnosekriterien der Neurodermitis
Die Diagnose der Neurodermitis erfolgt anhand von klinischen Merkmalen, die durch spezifische Kriterien bestimmt werden. Diese Kriterien sind:
- Starker Juckreiz: Er tritt der besonders nachts auf und führt nicht selten zu Schlafstörungen.
- Typische, altersabhängige Hautveränderungen: Bei Säuglingen treten die Ekzeme vorwiegend im Gesicht und auf der Kopfhaut auf, bei Erwachsenen sind häufiger die Beugen der großen Gelenke (z. B. Ellenbogen, Kniekehlen) betroffen.
- Chronischer oder wiederkehrender Verlauf: oft über mehrere Jahre.
- Familiäre Belastung: Neurodermitis tritt häufig in Familien auf, in denen sogenannte atopische Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma oder allergischer Rhinitis vorkommen.
- Trockenheit der Haut: Die Haut von Neurodermitis-Patienten ist oft sehr trocken und neigt zu Rissen und Schuppungen.
Schweregrad und Verlauf der Neurodermitis
Der Verlauf der Neurodermitis ist individuell sehr unterschiedlich. Einige Patienten erleben nur gelegentliche, leichte Schübe, während andere unter schwerer, anhaltender Symptomatik leiden. Der SCORAD-Index ist ein Bewertungssystem, das dazu dient, den Schweregrad der Erkrankung zu ermitteln. Er basiert auf objektiven Kriterien wie der betroffenen Hautfläche und dem Grad der Entzündung sowie subjektiven Faktoren wie Juckreiz und Schlafstörungen.
Neurodermitis verläuft oft in Schüben, die durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden können, darunter Stress, Allergene, Klimaänderungen oder Infektionen. Patienten erleben häufig eine Besserung der Symptome in den Sommermonaten, während sich die Erkrankung im Winter verschlechtert, da die trockene Heizungsluft die Haut weiter austrocknet.
Differenzialdiagnosen – nicht alles was juckt und schuppt ist Neurodermitis
Da Neurodermitis viele ähnliche Symptome wie andere Hauterkrankungen aufweist, müssen diese ausgeschlossen werden. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören:
- Seborrhoische Dermatitis: Sie tritt bei Säuglingen oft als „Kopfgneis“ auf. Typisch sind fettige, gelbliche Schuppen im Gesicht und auf der Kopfhaut.
- Psoriasis: Schuppenflechte, eine schuppende Hauterkrankung, die durch scharf begrenzte, verdickte Plaques („Hautverdickungen“) gekennzeichnet ist.
- Kontaktdermatitis: eine entzündliche Hautreaktion auf den direkten Kontakt mit reizenden oder allergenen Substanzen.
Weitere Krankheiten, die in Betracht gezogen werden müssen, sind Skabies (Krätze), angeborene Verhornungsstörungen der Haut und Windeldermatitis.
Typische Zeichen einer Neurodermitis
Typische klinische Zeichen der Neurodermitis sind:
- Trockene, rissige Haut: Die Haut verliert ihre natürliche Barrierefunktion und wird besonders anfällig für Umwelteinflüsse und Infektionen.
- Ekzeme an typischen Körperstellen: Bei Säuglingen und Kleinkindern treten die Ekzeme meist im Gesicht, an der Kopfhaut und an den Streckseiten der Arme und Beine auf. Bei Erwachsenen sind die Beugen der großen Gelenke, der Hals und die Hände häufig betroffen.
- Juckreiz: Dieser ist eines der Hauptsymptome und kann so stark sein, dass die Betroffenen sich blutig kratzen. Dies führt oft zu Sekundärinfektionen und einer Verschlimmerung der Hautsymptome.
Neurodermitis und typische Kombinationen mit anderen Erkrankungen
Neurodermitis tritt häufig in Kombination mit anderen atopischen Erkrankungen auf. Diese Komorbiditäten können den Krankheitsverlauf beeinflussen und erfordern oft eine gesonderte Behandlung. Zu den häufigsten Komorbiditäten gehören:
- Allergische Rhinitis (Heuschnupfen): Betroffene reagieren auf Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare mit Niesanfällen, Juckreiz der Nase und Augen sowie Nasenverstopfung.
- Asthma bronchiale: Asthma ist eine weitere atopische Erkrankung, die oft in Kombination mit Neurodermitis auftritt. Es ist durch Atemnot, Husten und Keuchen gekennzeichnet und kann durch Allergene oder körperliche Anstrengung ausgelöst werden.
- Nahrungsmittelallergien: Besonders bei Kindern mit Neurodermitis treten häufig Allergien gegen Nahrungsmittel wie Milch, Eier, Soja oder Nüsse auf.
Therapie der Neurodermitis
Die Behandlung der Neurodermitis zielt darauf ab, die Hautbarriere zu stärken, Entzündungen zu lindern und den Juckreiz zu verringern. Eine konsequente Hautpflege und die Vermeidung von Triggerfaktoren sind dabei grundlegend. Die Therapie gliedert sich in verschiedene Stufen und passt sich dem Schweregrad der Erkrankung an.

Lokale Therapie der trockenen Haut
Die tägliche Hautpflege ist der Eckpfeiler jeder Neurodermitis-Therapie. Die Haut von Neurodermitis-Patienten verliert durch die geschädigte Barrierefunktion schneller Feuchtigkeit, weshalb sie regelmäßig mit feuchtigkeitsspendenden Mitteln gepflegt werden muss. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehören:
- Feuchtigkeitsspendende Cremes und Salben: Diese sollten mindestens zweimal täglich aufgetragen werden, um die Haut mit Feuchtigkeit zu versorgen und ihre Barrierefunktion zu unterstützen. Produkte, die Fette und feuchtigkeitsspeichernde Inhaltsstoffe wie Glycerin, Harnstoff oder Hyaluronsäure enthalten, sind besonders geeignet.
- Fetthaltige Cremes oder Öle: Mandelöl und Kokosöl helfen, die Haut zu schützen und die Feuchtigkeit zu bewahren. Solche Produkte sollten jedoch keine Duftstoffe oder Konservierungsmittel enthalten, um Hautirritationen zu vermeiden. Vor der Behandlung in Eigenregie sollte ärztlicher Rat eingeholt werden.
Zusätzlich können Bäder mit feuchtigkeitsspendenden Zusätzen helfen, die Haut zu beruhigen und zu pflegen. Diese Bäder sollten jedoch kurz sein, da zu langes Baden die Haut austrocknet.
Lokale Therapie der entzündeten Haut
Während akuter Schübe kommen entzündungshemmende Medikamente zum Einsatz, die in Form von Cremes oder Salben auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen werden. Zu den wichtigsten lokalen Therapien gehören:
- Topische Glukokortikosteroide: Cortisonhaltige, entzündungshemmende Cremes sind die Standardtherapie bei akuten Entzündungen. Sie sollten jedoch nur für kurze Zeit angewendet werden, um Nebenwirkungen wie Hautverdünnung durch das Cortison zu vermeiden.
- Topische Kalzineurininhibitoren (z. B. Tacrolimus oder Pimecrolimus): Sie sind eine Alternative zu Kortikosteroiden, insbesondere für empfindliche Hautbereiche wie das Gesicht oder die Augenlider. Sie wirken ebenfalls entzündungshemmend, haben weniger Nebenwirkungen als Cortisonpräparate und können langfristig eingesetzt werden.
Systemische Therapie
In schweren Fällen, bei denen die lokale Therapie nicht ausreichend wirksam ist, können systemische Medikamente zum Einsatz kommen, das heißt Medikamente in Tabletten- oder Spritzenform. Diese Therapien zielen darauf ab, die Immunreaktion des Körpers zu modifizieren und die Entzündung zu unterdrücken:
- Dupilumab: Ein monoklonaler Antikörper, der die entzündungsfördernden Zytokine IL-4 und IL-13 blockiert und sich bei der Behandlung von Neurodermitis als äußerst wirksam erwiesen hat. Dupilumab wird als Injektion verabreicht und wird angewendet zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren sowie bei Kindern von 6 Monaten bis 11 Jahren bei schwerer Neurodermitis.
- Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren): Diese Medikamente hemmen bestimmte Signalwege in den Zellen, die an der Entzündungsreaktion beteiligt sind. Sie sind eine neuere Therapieoption und werden vor allem bei Patienten eingesetzt, die auf andere Therapien nicht ansprechen.

Wie wirken monoklonale Antikörper?
Ein monoklonaler Antikörper ist eine speziell entwickelte Eiweißstruktur, die im Labor hergestellt wird, um gezielt bestimmte Substanzen im Körper zu blockieren. Im Fall von Dupilumab richtet sich der Antikörper gegen zwei entzündungsfördernde Botenstoffe, die sogenannten Zytokine IL-4 und IL-13. Diese Zytokine spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Entzündungen im Körper, insbesondere bei Erkrankungen wie Neurodermitis oder Asthma. Durch das Blockieren von IL-4 und IL-13 wird die Entzündungsreaktion gedämpft, was zu einer Linderung der Symptome führen kann. Der Antikörper hilft somit, das Immunsystem gezielt zu regulieren und übermäßige Entzündungen zu verhindern, ohne das gesamte Immunsystem zu unterdrücken.
Wie wirken JAK-Inhibitoren?
JAK-Inhibitoren sind Medikamente, die bei bestimmten Erkrankungen des Immunsystems eingesetzt werden, z. B. bei Rheuma, Schuppenflechte oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. JAK steht für „Januskinasen“, das sind Enzyme, die Signale in Zellen weiterleiten und eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems spielen.
Wenn das Immunsystem überaktiv ist, kann es zu Entzündungsreaktionen im Körper kommen. JAK-Inhibitoren blockieren gezielt diese Januskinasen und unterbrechen die Signalweiterleitung, die die Entzündungsreaktion antreibt. Allerdings müssen die Inhibitoren in der Regel regelmäßig eingenommen werden und können Nebenwirkungen haben, weshalb sie nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden.
Psychosoziale Aspekte
Die psychosozialen Auswirkungen der Neurodermitis sind oft erheblich. Viele Betroffene leiden unter psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen und sozialer Isolation. Besonders Kinder und Jugendliche werden aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes häufig gehänselt oder ausgegrenzt, was zu einem verminderten Selbstwertgefühl führt.
Neurodermitis-Patienten müssen daher nicht nur physisch, sondern auch psychisch betreut werden. Schulungsprogramme und psychologische Unterstützung können den Betroffenen und ihren Familien helfen, besser mit der Krankheit umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Quellen
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